Wer is(s)t denn noch normal? Claudia Burmeister informiert rund um das Thema Essstörungen
Auf diese und viele weitere Fragen gab Dipl.-Sozialpäd. Claudia Burmeister, Mitbegründerin und Leiterin der Beratungsstelle zu Essstörungen „waagnis“, in ihrem Vortrag Antworten. Etwa 25 Interessierte fanden sich auf Einladung der KEB im Landkreis Kelheim und der Gesundheitsregionplus Landkreis Kelheim im den Räumlichkeiten der Pfarrgemeinschaft Abensberg ein, wo Burmeister aus ihren Erfahrungen in der Beratung Betroffener berichtete.
Zunächst erläuterte sie unterschiedliche Facetten von Essstörungen. Neben den bekannten Formen, wie z.B. der Bulimie oder der Magersucht, stellte sie aber auch neuere Ausprägungen vor. Orthorexie, eine zwanghafte Fixierung auf den ausschließlichen Verzehr von gesunden Nahrungsmitteln, wurde genannt. Das Thema „Lebensmittel“ rückt hier derart in den Fokus, dass das Essen keinen Genuss mehr darstellt und eine Art Phobie vor ungesunden Produkten entsteht. Stellen Eltern fest, dass ihre Kinder sehr wählerisch sind, viele Speisen vermeiden, zum Teil Ekel und Übelkeit beim Essen verspüren oder ihre Ernährung auf kaum variierende Nahrungsmittel stützen, kann eine sog. ARFID („avoidant-restrictive food intake disorder“/ Vermeidend-restriktive Ernährungsstörung), vorliegen.
Die Gründe, die zu einem gestörten Essverhalten führen, sind vielschichtig und können nicht pauschalisiert werden. Selbst in einem scheinbar idealen Familienumfeld kann eine Essstörung entstehen. Zu glauben, Betroffene möchten mit ihrem Verhalten nur Aufmerksamkeit erregen, ist dabei zu einfach gedacht. Da es keine bewusste Entscheidung der Patienten für eine Essstörung gibt, ist es auch nicht möglich, „einfach“ damit aufzuhören und wieder normal zu essen, so Burmeister.
Als generelle Risikofaktoren gelten gesellschaftliche Strukturen, Rollenwidersprüche und Schönheitsideale, die der Essstörung einen fruchtbaren Boden bieten. Ebenso können Ursachen im familiären Umfeld gesucht werden, wobei hier vor allem in vermeintlich “perfekten“ Familien ein erhöhtes Risiko besteht. Da Betroffene ihren eigenen Wert häufig mit dem Gewicht gleichsetzen, ist es ein wichtiger Schritt, Rückhalt und Zuversicht zu vermitteln, die Lage wieder in den Griff bekommen zu können. Frust und Verzweiflung dürfen sich immer nur auf die Krankheit an sich und nicht gegen den Betroffenen richten. Dies auch so zu kommunizieren, ist laut der Expertin entscheidend.